Fraunhofer-internes Projekt BIOSYNTH
BIOSYNTH – „Modulare Mikro-Plattform für zukünftige Massendatenspeicher aus synthetischer Biologie“
Das Projekt BIOSYNTH wird von der Fraunhofer-Gesellschaft gefördert und zielt darauf ab, eine neue Mikrochip-Plattform zu entwickeln, die eine effiziente und digital steuerbare zellfreie Biosynthese ermöglicht. Das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS leitet das Konsortium und arbeitet zusammen mit dem Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM und dem Institut für Zelltherapie und Immunologie, Teil Bioanalytik und Bioprozesse IZI-BB, an Technologien, die u.a. für zukünftige Massendatenspeicher mit sehr hoher Speicherdichte oder auch im Schadstoff-Screening der Humantoxikologie zum Einsatz kommen können.
Was ist synthetische Biologie?
Synthetische Biologie ist ein Forschungsbereich, der darauf abzielt, biologische Systeme im Labor zu entwerfen, nachzubilden oder zu modifizieren. Dies geschieht durch die Entwicklung von standardisierten Komponenten, die sich präzise zu neuen Einheiten zusammenfügen lassen.
Synthetische DNA kann zur Speicherung und Kompression von binären Daten verwendet werden, wobei das Schreiben von DNA auf Mikrochips noch eine große Herausforderung, aber auch eine bedeutende Chance darstellt. Informationen können auf Mikrochips in hoher Dichte gespeichert werden, indem Basenpaare spezifisch und digital steuerbar dreidimensional angeordnet werden.
Daneben erforscht das Konsortium weitere Anwendungen der synthetischen Biologie, wie etwa das Erkennen von Krankheitserregern in Abwässern – also auch sensorische Ansätze. Vor allem solche sollen auf einem Anwenderworkshop im Rahmen des SynBioReactor Summit der Deutschen Gesellschaft für Synthetische Biologie am 21. August, in Berlin-Adlershof diskutiert werden.
Was trägt BIOSYNTH zur Prozessverbesserung bei?
Das Projekt BIOSYNTH zielt darauf ab, die heutige Performanz mikrobiologischer Synthese zu verbessern, indem es das Fachwissen von drei Fraunhofer-Instituten bündelt. Mittels moderner Mikrosystemtechnik wird eine universelle Mikrochip-Plattform erforscht, die für das Schreiben von DNA, RNA und Peptiden genutzt werden kann. Bisherige Synthesemethoden, zum Beispiel durch so genanntes „Spotting“, sind ineffizient insbesondere bei der Erzeugung langer DNA-Segmente und neigen zu Ungenauigkeiten, deren Korrektur sowohl zeitaufwendig als auch kostspielig ist. Zudem ist die bisherige Gerätetechnik groß und mit hohen Kosten verbunden.
„Das Projekt BIOSYNTH will deshalb die mikrosystemtechnischen und biologischen Grundlagen für die fortgeschrittene mikrobiologische Hochdurchsatz-Synthese in hochintegrierten Mikrochips mit thermischen, photonischen und fluidischen Komponenten erforschen, die sowohl biologische Massendatenspeicher extrem hoher Speicherdichte und Alterungsbeständigkeit als auch Anwendungen in Biologie, Biochemie oder angewandter Ökologie adressieren,“ erklärt Dr. Uwe Vogel, Konsortialführer vom Fraunhofer IPMS.
Die Forschenden entwickeln eine Plattform, die auf herkömmlichen Mikrochip-Fertigungstechniken basiert, um software-definierte Nukleotidsequenzen (DNA, RNA oder Peptide) zu schreiben. Diese Plattform ermöglicht es z.B., biologische Massendatenspeicher für hochparallele und hochdurchsatzfähige Verfahren zu implementieren, ähnlich den Volumenproduktionsprozessen der Mikroelektronikindustrie. Die Plattform, die mit Mikroelektronik-Methoden entworfen und hergestellt wird, integriert miniaturisierte Reaktionszellen auf Mikrometer-Niveau, die Reaktionsvolumina im Pikoliter-Bereich besitzen, für die zellfreie Synthese in einem frei programmierbaren Aktiv-Matrix-Array. Durch spezielle thermische und photonische Komponenten sowie die Funktionalisierung der Oberflächen jeder Reaktionszelle wird der Transport, die Immobilisierung, die Aktivierung und das Monitoring der Prozessbedingungen und -ergebnisse ermöglicht.
Das Fraunhofer IPMS entwickelt die integrierte Schaltung der CMOS-Backplane, die zur Steuerung und Auslese der Mikroheizer für die Biosynthese dient. Diese Schaltung wird auch für die OLED- und Photodetektor-Pixel in der Aktiv-Matrix-Anordnung sowie für einen entsprechenden Testaufbau verwendet. Zusätzlich ist das Institut für die Entwicklung der „Thermo“-Ebene der Mikrochipplattform zuständig, welche die Temperaturregelung für die biologische Synthese durch mikromechanische Oberflächenstrukturen, ähnlich der Technologie der kapazitiven mikromechanischen Ultraschallwandler (CMUT), ermöglicht. Das Institut bringt außerdem seine Expertise in der Simulation der thermischen Funktionalität ein. Eine weitere Aufgabe im Projekt ist die Umsetzung einer MEMS-Technologie, die es erlaubt, organische Komponenten wie Leucht- und Photodioden zur Überwachung des Syntheseprozesses zu integrieren. Anschließend werden Forschenden des Fraunhofer IZI-BB in Potsdam den Syntheseprozess unter Verwendung der Mikrochipplattform durchführen.
Welche Anwendungen gibt es?
Neben der Massendatenspeicherung gibt es weitere Anwendungen für die synthetische Biologie (siehe auch Abbildung 1). Das Fraunhofer ITEM arbeitet beispielsweise an Kodierungsverfahren in biologischen Komponenten. Hierzu gehören insbesondere fehlerkorrigierende Codes und Kompressionsverfahren. So kann man auch Bilder mit geringer Pixelheterogenität in DNA kodieren, indem die sich wiederholenden Basen mit einer Zufallsmaske gebrochen und die Daten in Plasmiden gespeichert werden. Die Speicherung von Bildern in DNA und die Möglichkeit eines fehlerfreien Abrufs werden experimentell untersucht, und ein Kodierungsschema wurde entwickelt, das eine Komprimierung ermöglicht und durch Fehler verursachte Bildverschiebungen vermeidet.
Prof. Christoph Schäfers, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie IME, erklärt ein weiteres Einsatzgebiet der synthetischen Biologie: „Das Screening der Humantoxikologie mithilfe der synthetischen Biologie nutzt künstlich hergestellte biologische Systeme, um die Auswirkungen von Substanzen auf den menschlichen Körper zu testen. Diese Methode ermöglicht es, potenziell schädliche Wirkungen frühzeitig zu erkennen und zu analysieren.“
Wie finden die Ergebnisse des Projektes in die Praxis?
Das Projekt wird von einer Gruppe namhafter Berater aus Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis unterstützt, darunter Experten der Universität Marburg, XFAB, Infineon, dem Bundesarchiv und Hybrotec. Die bisherigen Zwischenergebnisse des Projekts werden am 21. August 2024, während des SynBioReactor Summits, in Berlin, in einem Workshop für Anwender präsentiert. Auch Prof. Schäfers wird im Workshop zum Thema Screening der Humantoxikologie für Diskussionen zur Verfügung stehen. Zusätzlich haben die Workshop-Teilnehmer die Möglichkeit, in Themeninseln individuelle Anwendungsideen einzubringen und zu diskutieren.